Margins
Selbstportrait in einer Streichholzflamme book cover
Selbstportrait in einer Streichholzflamme
Gedichte
2001
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Ein zu Staub zerfallenes Gebiß bin ich, eine Mundhöhle nach langer Alkoholsucht eine Schwangerschaftstoxikose, ein blauer Schwall Zyan, zweistrahlig hervorschießend aus dem Maul der Spinne stärker als ein Pottwal bin ich, zerbrechlicher als ein Reagenzglas: ich bin ein unverbesserlicher Träumer. Ich bin die Silhouette eines Feuerwaffenzopfs aus Arkebusen, Flinten, Mörsern bin die Apokalypse, urplötzlich durch Hornstöße aus sämtlichen Kanalrohren und Gasleitungen da jede Blume zu einem Pearl Harbour der Würmer wird und der Wurm aus der Traubenbeere spähend ausruft Gott, laß mich dein Adler sein Gott, ruft der Wurm, würde jedes Atom meines Fleisches zu Licht ich wollte das Weltall durchzucken, und die Lebenden erschauten endlich dein Angesicht die Hände mit den unendlichen Fingern, die Millionen Brustwarzen an deiner Brust die wie Schweiß an dir herabrinnenden Flammenströme. Ich strample mich ab in der Gallerte des Ozeans, in der Astwerkkrume der Erde im Morast des Abendlands, im Schmalz der Bauwerke ich setze die Seen einer ganzen Halbkugel in Brand um meinem Herzen ein Morgenland goldner Kugelschreiber abzuringen. Ich bin der aus Adern, Därmen und Litzenraht gedrechselte Mensch bin ein Glas blutiger Wodka ein Schutzwall aus restlos niedergebrannten Hotels. Ich habe mir den Kehlkopf mit Algen eingerieben und mich gewaschen mit einer Bank Störe hab mir die Zähne an der Sonne ausgebissen, habe in Frauen gewohnt das Haar trocknete ich mir, nach einem Dornbuschbad mit Grünewalds Auferstehung, mit Caspar David Friedrichs Sonnenaufgang sog ich einen Molotowcocktail aus dem Schwamm. Zermalme mich, wenn du kannst, denn ich bin es der dir den Namen und das Skelett Knochen für Knochen aus dem Krug des Fleisches trinkt. Ich verzeihe dein spinnwebüberzogenes Trommelfell, wie du seitlings daliegst im Bombenhagel ein Sonnenbad nimmst, dich bräunst am Höllenfeuer und an der Katastrophe ich drehe an den vier Himmelsrichtungen, bin der Puppenspieler für deine Drüsen ich bin der Ulkus des Frühlingsmorgens und die in Nebel und Schneesturm gehüllte Trambahnstation und das Dinotheriumskelett, das allnächtlich aus dem Antipa-Museum entweichend mit Geklapper unter blassenden Sternen über den Victoria-Platz schlendert dann auf dem Stefan cel Mare die Autos mit den Rädern nach oben kehrt, zum Mond hin und zur Kassiopeia und sich an den Neubauten schabt. Ich bin alles was dich aufisst alles was dich wiederkäut und was dich in Stücke reißt eine Krake zärtlich um deine Wurzelknolle und dein Gehirn geschmiegt … überwältigt von Einsamkeit verfolgte ich wie von einem gläsernen Kieferknochen herab das Schauspiel der Welt. Zwischen Flammen, Benzin und Leitungsrohren dachte ich über Frieden und Lauterkeit nach während ich in einem Weckuhrenteig plantschte. Schüchtern, stannioldünn, lichtscheu, fühlte ich mich dort in der Grotte sehr wohl in der blutgepolsterten Grotte. Dann sah ich die Gräber aufbrechen, sah halbe Frauenleiber halbe Männerleiber rucken und zucken, um sich aus der verschneiten Erde zu befreiene sah glaswatteverpackte Zisternen altersschwarz aufs tote Gleis geschoben unter prachtvollst verschlungenem Engelsuntergang und ein wildes Licht drängte schreiend unter der Baumrinde hervor huschte weg unter Spatzenflügeln. Großer Gott, diese Paarungen dann in den Campingwagen und Springbrunnenbecken dieses Geschiebe in den Wohnungen, und doch auch welch eine Melancholie auf den blauen Gesichtern derer, die Hand in Hand zur Scala gingen. Ich sah, wie Hölle und Paradies ihre Teerröcke herumwirbelten über den Städten und Dörfern und überm Hummelnest und wutentbrannt um einen Backstein stritten. Ich betrachtete all die mit blauen Augen, die ich dann aber schließen musste da ich mit fliegender Mähne eine Fleischeinge passierte. Ich bin eine Katze die mit Schaudern über diese Welt nachdenkt ein verträumtes Ding bin ich, vom Verkehr und den Schaufenstern ganz benommen bin der Mechanismus im Turm, der die blauen und krischroten Marien jederzeit rundlaufen lassen kann, über irgendeinem Mädchen oder einer Haarspange oder über einer Stadt mit Wasserstoffbrücken. Verglichen mit dir bin ich niemand, du energiegeladenes Phantom Illusion du, reeller als Stein, hältst deine Hand schützend um die Welt wie um eine Streichholzflamme bei Wind, die goldene Welt die es nur so lange gibt, bis du dir eine Zigarette angesteckt hast, die runde sich drehende Welt voll blühender Pflaumenbäume, voller Zirkuszelte Düngemittelfabriken und Friseurläden und Strümpfe die Welt, die wir so heiß und innig lieben … Ich bin eine Schraube aus Tränenströmen, ein Strauß Laster und Pulsationen ein Feld, das mein Herz auf Krücken begeht.

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Mircea Cartarescu
Mircea Cartarescu
Author · 26 books

Romanian poet, novelist, essayist and a professor at the University of Bucharest. Born in Bucharest, he graduated from the University of Bucharest's Faculty of Letters, Department of Romanian Language And Literature, in 1980. Between 1980 and 1989 he worked as a Romanian language teacher, and then he worked at the Writers Union and as an editor at the Caiete Critice magazine. In 1991 he became a lecturer at the Chair of Romanian Literary History, part of the University of Bucharest Faculty of Letters. As of 2010, he is an associate professor. Between 1994-1995 he was a visiting lecturer at the University of Amsterdam. Among his writings: "Nostalgia" (a full edition of the earlier published "Visul"), 1993, "Travesti" 1994, "Orbitor" 2001, "Enciclopedia zmeilor" ("The Encyclopedia of Dragons") 2002, "Pururi tânãr, înfãsurat în pixeli" ("Forever young, convolved in pixels") 2002, "De ce iubim femeile" bestseller ("Why do we love women") 2004.

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