
Der persische Dichter Hafis war ein erklärter Liebhaber der Sprache, und diesem Gedanken gab er im 14. Jahrhundert allegorische In seinem Diwan tritt die "Wortbraut" als mystische Verkörperung der Lyrik auf, um Gott, Wein und Liebe zu "Bräuten in der Locken Ranken,/ denen Schleier, leicht und licht, / Halb nur hüllen den Gedanken, / gleicht, o Hafis, dein Gedicht". Berauscht von der Lektüre des Diwans im Juni 1814 übernahm Johann Wolfgang von Goethe das Bild von der "Wortbraut" und stellte es als gleichnishaftes Motto dem Buch Hafis seines West-Östlichen Divans (1819/1827) "Sei das Wort die Braut genannt" — eine Hommage an den persischen "Zwilling", die der Weimarer Geheime Rat auch als Verpflichtung für das eigene Schreiben verstand. Tatsächlich ist Goethe in seiner Auseinandersetzung mit Hafis ein überaus sinnliches Stück Weltliteratur gelungen, dessen Verfasser das gesamte Spektrum literarischer Möglichkeiten wie ein Bräutigam umgreifen will und in souveräner Beherrschung von alltäglicher und gehobener, euphorischer und ironischer Rede die "Lieb-, Lied- und Weinestrunkenheit" im Harem der Worte zu vermählen sucht. Am deutlichsten wird diese quasi erotische Verbindung von Werk und Schöpfer im Buch Suleika, jenem autobiographisch an die 30jährige Marianne von Willemer gerichteten Meisterstück, das den Austausch mit der Geliebten zum leidenschaftlichen Dialog des 66jährigen Dichters auch mit der Sprache werden läß "Sich liebend aneinander zu laben / Wird Paradieses Wonne sein". Daß Marianne, wie man inzwischen weiß, einige der schönsten Gedichte zum Buch Suleika beisteuerte, hebt das Zwiegespräch zwischen der jungen Suleika und dem greisen Hatem innerhalb der Sammlung auf ein neues, pikant-intimes Niveau. "Den berauschendsten Lebensgenuß hat Goethe hier in Verse gebracht", schrieb Heinrich Heine 1836 in der Romantischen Schule, "und diese sind so leicht, so glücklich, so hingehaucht, so ätherisch, daß man sich wundert, wie dergleichen in der deutschen Sprache möglich war". Möglich war dieser unbeschreibliche Zauber des Divans nur als trunkene, raumzeitlich losgelöste Liebeserklärung des Dichters an die unendliche, Orient und Okzident, Geist und Humor, Jugend und Alter, Liebhaber und Geliebte in jeder Strophe neu vereinende Poesie. Der Schwiegertochter Ottilie erläuterte Goethe am 21. Juni 1818 die Absicht seiner "Ihre Bestimmung ist es, uns von der Gegenwart abzulösen und uns für den Augenblick dem Gefühl nach in die grenzenlose Freiheit zu versetzen. Dies ist zu einer jeden Zeit wohltätig, besonders zu der unseren". Wenn dies mit einer derart lyrischen Virtuosität wie im West-Östlichen Divan gelingt, gilt dieser Auspruch bis heute. — Thomas Köster
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A master of poetry, drama, and the novel, German writer and scientist Johann Wolfgang von Goethe spent 50 years on his two-part dramatic poem Faust, published in 1808 and 1832, also conducted scientific research in various fields, notably botany, and held several governmental positions. George Eliot called him "Germany's greatest man of letters... and the last true polymath to walk the earth." Works span the fields of literature, theology, and humanism. People laud this magnum opus as one of the peaks of world literature. Other well-known literary works include his numerous poems, the Bildungsroman Wilhelm Meister's Apprenticeship and the epistolary novel The Sorrows of Young Werther . With this key figure of German literature, the movement of Weimar classicism in the late 18th and early 19th centuries coincided with Enlightenment, sentimentality (Empfindsamkeit), Sturm und Drang, and Romanticism. The author of the scientific text Theory of Colours, he influenced Darwin with his focus on plant morphology. He also long served as the privy councilor ("Geheimrat") of the duchy of Weimar. Goethe took great interest in the literatures of England, France, Italy, classical Greece, Persia, and Arabia and originated the concept of Weltliteratur ("world literature"). Despite his major, virtually immeasurable influence on German philosophy especially on the generation of Georg Wilhelm Friedrich Hegel and Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, he expressly and decidedly refrained from practicing philosophy in the rarefied sense. Influence spread across Europe, and for the next century, his works inspired much music, drama, poetry and philosophy. Many persons consider Goethe the most important writer in the German language and one of the most important thinkers in western culture as well. Early in his career, however, he wondered about painting, perhaps his true vocation; late in his life, he expressed the expectation that people ultimately would remember his work in optics.